FotoPro FOTOTIPP: Graufilter

FotoPro FOTOTIPP: Graufilter

FotoPro FOTOTIPP: Graufilter

Graufilter – Licht wird kontrollierbar

In der Fotografie gibt es einige Komponenten, die wir nicht beeinflussen können. Darunter fällt die Menge des natürlichen Lichtes.
Passend zu Helligkeit Ihres Fotomotives wählen Sie in der Regel an der Kamera (oder wählt die Kameraautomatik selber) einen ISO-Wert, der die Empflindlichkeit definiert, eine Verschlusszeit, die die Länge der Belichtung kontrolliert und eine Blende, um den Lichteinfall durch das Objektiv zu dosieren.
In gewissen Aufnahmesituationen, ist aber nicht nur eine korrekte Belichtung entscheidend, sondern durch die gezielte Wahl einer bestimmte Verschlusszeit oder Blende wird die Bildwirkung kontrolliert: Bei Sportaufnahmen ist oft eine kurze Belichtungszeit notwendig, um Bewegungen einzufrieren. Wenn Sie aber die Bewegung als Wischeffekt darstellen möchten, ist eine lange Belichtungszeit gefragt. Ein beliebtes Motiv für Langzeitbelichtung ist fliessendes Wasser. Je länger die Aufnahme belichtet wird, desto weicher und fliessender ist die Bewegung.

Für eine längere Belichtungszeit muss also Licht reduziert werden. Wer sich mit den oben genannten Kameraeinstellungen auskennt, weiss, dass beim Schliessen der Blende die Verschlusszeit verlängert werden muss.

Ausgangslage ist beispielsweise 1/125s bei Blende F/5,6 bei ISO 100. Die Blende wird um 5 Werte geschlossen und steht bei F/32. Die Verschlusszeit muss ebenfalls um 5 Stufen auf 1/4s verlängert werden, um eine identisch helle Belichtung zu erreichen.

Was aber wenn für den Fliesseffekt des Wasserfalls mit 2 Sekunden belichten möchten? Blende weiter schliessen geht nicht, Empfindlichkeit reduzieren ist nicht weiter möglich, aber dennoch ist zu viel Licht da, um 2 Sekunden lang zu belichten.

Wir brauchen eine Lösung, um weiter Licht zu reduzieren.

Der Graufilter

Ähnlich wie eine Sonnenbrille bestehen Graufilter aus einer abgedunkelten Glaslinse, die vor das Objektiv gesetzt wird. Da es sich nur um eine Schwärzung handelt, hat diese keinen Einfluss auf die Farbe. Sie reduziert lediglich die Menge des einfallenden Lichtes, noch bevor es durch das Objektiv fällt. Aus diesem Grund wird er auch als „Neutrale Dichte“ oder kurz ND-Filter (englisch neutral density) bezeichnet. Die Dichte respektive Stärke der Schwärzung entscheidet über die Intensität der Lichtreduktion.

Für unser Beispiel muss die Verschlusszeit von 1/4 Sekunde auf 2 Sekunden verlängert werden. Die Belichtung soll also acht Mal länger sein. ND-/Graufilter gibt es ist unterschiedlichen Stärken. Genau für diesen Zweck dient der ND8 Filter, durch den eine achtfache Belichtungszeit erzielt werden kann.

Wieviel Licht wird reduziert?
Wer am Tag Langzeitbelichtungen machen will, wird in der Regel zu viel Licht haben, um die gewünschte lange Verschlusszeit zu erhalten. Deshalb sind Graufilter in unterschiedlichen Stärken erhältlich.
Die Bezeichnungen variieren je nach Hersteller und Fachgebiet. Die Dichte wird in der wissenschaftlichen Sensitometrie und in Labors verwendet, die prozentuale Durchlässigkeit ist ebenfalls eher ein Laborwert für Mathematikfans.

Für uns Fotografen ist der Verlängerungsfaktor als Angabe für den Lichtverlust oder die Anzahl Blendenstufen entscheidend, die mit dem Graufilter kompensiert werden können.

Filtertyp Dichte (ND) Durchlässigkeit der
Lichtmenge in Prozent
Verlängerungsfaktor Lichtreduktion
in Blendenstufen
ND2 0,3 50 2 -1
ND4 0,6 25 4 -2
ND8 0,9 12,5 8 -3
ND16 1,2 6,25 16 -4
ND32 1,5 3,12 32 -5
ND64 1,8 1,56 64 -6
2 1 100 -6,66
2,4 0,4 256 -8
2,7 0,2 512 -9
ND1000 3 0,1 1000 -10
4 0,012 10000 -13
6 0,001 1000000 -20

Gewusst? Neben den ND-/Graufiltern mit festem Verlängerungsfaktor gibt es auch Varianten mit variabler Stärke. Diese werden auch Fader oder Vario ND-Filter genannt und sehr oft für Videoaufnahmen eingesetzt. Damit lässt sich gezielt eine gewünschte Blende einstellen und die Belichtung bei fester Verschlusszeit mit dem drehbaren Filter regulieren.
Vario ND Filter sind eigentlich keine „richtigen“ Graufilter, da sie aus zwei werksseitig übereinander gelegten Polarisationsfilter bestehen deren Lichtreduktion sich durch gegenseitiges Drehen verändern lässt. Perfekt abgestimmt sind die üblichen Randabdunklungen und Farbveränderungen auf ein Minimum reduziert. Sie können beispielsweise von 2 bis 64fach oder auch 2 bis 400fach fast stufenlos eingestellt werden.
Zwei einzelne Polfilter als Eigenbau dürften kaum zufriedenstellende Ergebnisse erzeugen.

Verschlusszeit ausrechnen

Die meisten Hersteller* bezeichnen Ihre Filter mit dem resultierenden Verlängerungsfaktor. Ein Filter mit Stärke ND4 ergibt eine vierfache Belichtungszeit im Vergleich zur ungefilterten Aufnahme.

Die Berechnung der Belichtungszeit ist ganz einfach Mathematik – solange man die Blende beibehält.
Die messen die Belichtung ohne Filter, und multiplizieren die Verschlusszeit mit dem Verlängerungs-Faktor des Filters.

Ungefilterte Belichtung: 1/1000s bei F/4

Mit Filter ND4 ergibt sich also:
4 mal 1/1000s = 4/1000s = 1/250s bei Blende F/4

*Ausnahme: B+W bezeichnet beispielsweise den ND4 Filter jedoch als Modell 102 ND 0.6, basierend auf der Dichte 0.6 (Spalte 2 in der Tabelle).

Langzeitaufnahmen

Um den Bewegungs-Effekt mit Langzeitaufnahmen zu erreichen, benötigen Sie also eine lange Verschlusszeit. Freihandaufnahmen sind damit ausgeschlossen. Wir empfehlen folgende Ausrüstung:

  • Kamera mit manueller Belichtungs- und Distanzeinstellung
  • ND- / Graufilter
  • Stativ
  • Fernauslöser
  • optional: Klebeband

Und so gehen Sie vor:

    • Setzen Sie die Kamera auf das Stativ und wählen Sie den gewünschten Bildausschnitt
    • Wählen Sie den Modus Spiegelvorauslösung – sofern vorhanden – an Ihrer Kamera, um Erschütterungen zu minimieren
    • Messen Sie die Belichtung und erstellen Sie (bei Digitalkameras) eine Testaufnahme
    • Scharfstellen mit Autofokus und anschliessend den AF deaktivieren oder manuell fokussieren
      Mit dem aufgesetzten Filter wird das Scharfstellen nachher sehr schwierig.

Bild Stabilisator ausschalten

  • Setzen Sie den Graufilter auf – ohne die Scharfstellung zu verändern.
    Ein Klebeband auf dem Scharfstellring (nur bei deaktiviertem Autofokus) vermeidet ein versehentliches Verstellen
  • Errechnen Sie die verlängerte Belichtungszeit und stellen diesen an der Kamera ein
    Verändern Sie dabei den Blendenwert nicht!
  • Auslösen mit dem Fernauslöser (Kabel, Infrarot, Funk, WiFi App per Smartphone)

Fertig ist die Langzeitaufnahme!

Gewusst?: Bei extrem langen Belichtungszeiten und starken Filtern empfehlen wir im unkomprimierten RAW Dateiformat zu fotografieren, um am PC allfällige Farbkorrekturen verlustfrei vornehmen zu können. Stellen Sie die Kamera bei Verschlusszeiten über 30s Sekunden und Verwenden Sie ein Stoppuhr für die errechnete Belichtungszeit.


Gewusst Wenn Sie mehrere Objektive mit unterschiedlichen Durchmessern besitzen, benötigen Sie natürlich nicht zu jedem einen eigenen Filter. Step-Adapter erlauben grössere Filterdurchmesser an kleineren Objektiven zu verwenden und helfen Geld zu sparen. Kaufen Sich sich den gewünschten Filter also im grössten Durchmesser.

Weitere Anwendungsgebiete

Graufilter sind nicht nur für fliessendes Wasser die perfekte Lösung. Je nach Stärke und Verlängerungsfaktor sind sie noch viel universeller einsetzbar.

Architekturaufnahmen ohne Personen
Manche Sehenswürdigkeiten sind dermassen beliebt, dass immer irgendwo Menschen auf dem Bild stehen. Sollten Sie den Platz menschenleer fotografieren wollen, kann ein Graufilter helfen. Mit einer extrem langen Belichtungszeit von mehreren Minuten, wird nur abgebildet, was sich während der Belichtung nicht bewegt. Fussgänger die im vergleich zur langen Belichtung nur sehr kurz durch das Bild huschen, werden Sie auf dem fertigen Bild nicht sehen.

Aufhellblitz bei Portraitaufnahmen am Tag
Wer am Tag das Blitzgerät einsetzt wird oft an die Grenzen der Kamera stossen, da die meisten Kameras mit Blitz nicht alle Verschlusszeiten einsetzen können. Die kürzeste Verschlusszeit, die mit Blitz möglich ist, wird BlitzsynchronisatioNszeit genannt. Diese liegt je nach Kameramodell zwischen 1/25 bis 1/300s, Kürzere Zeiten würden zu einer fehlerhaften Blitzbelichtung führen, deshalb werden diese von vielen Kameras blockiert, sobald der Blitz eingesetzt wird.
Was aber, wenn Sie eine Portraitaufnahme mit unscharfem Hintergrund machen möchten, und deshalb die Blende öffnen? Schnell erhalten Sie eine bei geöffneter Blende eine Verschlusszeit von 1/1000 Sekunde oder kürzer. Wenn die Kamera nun aber bei 1/250s „abriegelt“ und Sie dennoch die Blende z.B. auf F/2.8 öffnen, wird die Aufnahme 4fach überbelichtet.
Bei Verwendung eines ND4 Graufilters wird das Umgebungslicht um Faktor vier reduziert und so gelingt die Aufnahme mit 1/250s und der offenen Blende F/2.8.

Viele moderne Kameras mit entsprechenden Blitzgeräten bieten übrigens für diesen Fall eine Kurzzeitsynchronisations-Modus an, der mit angepasster Blitzleistung auch kurze Verschlusszeiten ermöglicht.