FotoPro FOTOTIPP: Milchstrasse fotografieren

Interview mit Yuri Schmid über seine Maturaarbeit TO THE STARS

Unser heutiges Thema „Milchstrassen-Fotografie“ haben wir unserem Kunden und ehemaligen Kantonsschüler Yuri Schmid zu verdanken. Er hat sich ein ziemlich aufwendiges Thema für seine Maturaarbeit von 2015 ausgesucht: Die Milchstrasse am Schweizer Nachthimmel als Timelapse-Video.

Seine Erfahrungen in der Astrofotografie teilt er freundlicherweise mit uns und beantworten Fragen, die den Einstieg vereinfachen sollen.

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16’000 Bilder bis zum fertigen Timelapse

Am Ende des Beitrages finden Sie den Zeitrafferfilm „To the stars“, der das Endergebnis von Yuri Schmids Maturaarbeit war.
Das Projekt ist umso eindrücklicher, wenn man bedenkt, dass der damals 17-jährige Yuri sich mit der Kamera seines Vaters in das Thema erst einarbeiten musste und sich zahlreiche Nächte in freier Natur um die Ohren schlagen musste. Unterstützt und beraten wurde er von FotoPro GANZ am Rennweg und Sony Schweiz. 

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Während vieler kalten Nächten im Zelt entstanden über 16’000 Aufnahmen und die aufwendige Nachbearbeitung bis zum finalen Timelapse sind seinem unermüdlichen Elan und der Liebe zur Natur zu verdanken. Das Endergebnis wurde von der Limmataler Zeitung veröffentlich, gelangte ins Newsportal Watson und wurde auf der der Seite des Fotobloggers Steve Huff diskutiert.

Da jedes einzelne Bild mit Sorgfalt geplant und fotografiert werden muss, möchten wir Ihnen einen Auszug seiner Maturaarbeit, die den Weg zum fertigen Film beschreibt, als Einstieg ins Thema Astrofotografie – im Speziellen die Milchstrasse – zeigen. Yuri Schmid gibt uns im Interview freundlicherweise seine Erfahrungen weiter.

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Was war Ihr Anreiz, sich für die Milchstrasse als Spezialgebiet der Fotografie zu entscheiden?

Die Sterne bestimmen unser Leben. Geht die Sonne auf, stehen wir auf, neigt sie sich dem Horizont, geht der Tag zu Ende und es wird Nacht. Mit den Aufnahmen, die im Rahmen meiner Arbeit entstanden sind, möchte ich zeigen, welch eindrückliches Bild sich eigentlich am nächtlichen Sternenhimmel präsentiert.
Mit Hilfe einer Kamera können sogar für die visuelle Beobachtung von blossem Auge nicht sichtbare Objekte hervorgebracht werden, da ihr Sensor die Eigenschaft hat, Licht über einen längeren Zeitraum sammeln zu können, um dann die Milliarden von Sternen, Nebeln und Galaxien des Universums als Bild darzustellen.

Mir war von Anfang an klar, dass ich bestimmt eine Arbeit schreiben möchte, an der ich gerne und motiviert arbeiten werde. Mein Ziel war, dabei etwas Neues zu erlernen und zu entdecken.
Da ich schon seit längerer Zeit von der Fotografie und spektakulären Bildern fasziniert war, suchte ich nach einem Thema in diesem Bereich, das nicht schon unzählige Male vor mir gewählt wurde. Da es durch den technischen Fortschritt immer einfacher wird, tolle Aufnahmen der Milchstrasse zu erstellen, konnte ich einen kommenden Trend aufgreifen und mich darauf spezialisieren. Eine entdeckungsreiche und spannende Arbeit stand mir bevor. Denn
Astrofotografie ist weit mehr, als nur den Auslöser zu drücken.

Das Endprodukt dieser Arbeit ist ein Zeitrafferfilm meiner Entdeckungsreise, welcher dem Zuschauer die Schönheit des Nachthimmels vor Augen bringt, wird auf der eigens kreierten Webseite www.yurischmid.ch zu sehen sein.

Welche Kamera eignet sich für die Milchstrassen-Fotografie?

Eine geeignete Kamera muss unbedingt manuell einstellbar sein. Es muss also einem die Möglichkeit gegeben sein, Belichtungszeit, Blende, ISO-Wert und Weissabgleich bestimmen zu können. Zusätzlich muss sie auch bei hohen ISO-Werten um 3200 ein einigermassen rauscharmes Bild produzieren können. Für solch eine Kamera muss nicht mehrere tausend Franken bezahlt werden. Mit Einsteigermodellen wie der Sony a6000 oder der Canon 60D, welche beide nur mit einem APS-C Sensor ausgestattet sind, habe ich ebenfalls gute Erfahrungen gemacht.

Im Gegensatz zu den oben genannten Modellen gibt es Vollformatkameras, was bedeutet, dass ihr eingebauter Sensor grösser ist. Zwei grosse Vorteile einer Vollformatkamera sind, dass sie weniger Rauschen im Bild produzieren und die Dynamikunterschiede grösser sind als bei einer APS-C Kamera mit der selben Anzahl Megapixel.
Da also gleich viele Zellen, die das Licht einfangen, auf einer grösseren Fläche verteilt sind, sind die einzeln Zellen grösser und erhalten deshalb auch mehr Licht, was einem erlaubt, mit höheren ISO-Werten zu arbeiten, mehr Licht zu sammeln und daher bessere Milchstrassenfotos zu machen.

Womit haben Sie fotografiert?
Mit der Sony A7s hatte ich das Glück, eine der lichtempfindlichsten Kameras bereits in der Familie zu haben. Auf Anfrage stellte mir Foto Pro Ganz und Sony zusätzlich für drei Monate eine zweite Kamera zur Verfügung, wofür ich sehr dankbar bin. Besonders in den Nächten rund ums Matterhorn war ich froh, mit zwei Kameras den wunderbaren Sternenhimmel voll auskosten zukönnen. Die Szenerie kann aus mehreren Blickwinkeln gezeigt werden und es kann auch mit einer Kamera gearbeitet werden, wenn die andere mit einer Zeitrafferaufnahme beschäftigt ist.

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Doch zur Kamera: Durch die sehr hohe ISO Empfindlichkeit von 50 bis 409 600 ist es der Kamera möglich um ein vielfaches mehr Licht einzufangen als das menschliche Auge, welches etwa mit der Empfindlichkeit von ISO 3200 verglichen werden kann.
Die Kamera überzeugt durch ihre einfach aufgebaute Bedienoberfläche, welche schon nach kurzem Einarbeiten auch im Dunkeln schnell und praktisch bedient werden kann. Durch hervorragende Bildqualität bis ISO 12800 unterstützt sie einem bei Aufnahmen unter lichtarmen Verhältnissen enorm. Einzig die Batterielaufzeit ist problematisch kurz, sie reicht laut Hersteller für ca. 380 Auslösungen.
Bei einem Zeitraffer kann die Batterie etwas effizienter genutzt werden, bei Spitzenwerten reichte die Batterie für 750 Aufnahmen über knapp fünf Stunden. Bei Aufnahmen über eine ganze Nacht war also geschickte Koordination gefordert.

FP: Eine hohe Empfindlichkeit bieten mittlerweile viele Kameras, wobei Modelle mit grossem Vollformatsensor weiterhin ihre Vorzüge haben. Ohne Objektiv nützt aber die beste Kamera nichts.

Welche Voraussetzungen muss ein Objektiv für Astroaufnahmen haben?

Damit ein Objektiv für die Astrofotografie geeignet ist, muss es vor allem eines sein: schnell.
Schnell bedeutet nicht, dass es einen schnellen Autofokus hat, sondern dass es mit einer grossen Blendenöffnung ausgestattet und damit sehr lichtstark ist. Das heisst die Zahl, die das Verhältnis der Blendenöffnung im Vergleich zur Bildweite beschreibt, muss möglichst klein sein. Ist die Blendenzahl klein, also die Öffnung durch
welche Licht zum Sensor gelangen kann, gross, ist die Belichtungszeit kürzer und damit schneller.
Damit genug Licht gesammelt werden kann, um ein brauchbares Foto bei Dunkelheit zu machen, soll die Blende in
der Regel f/2.8 oder kleiner betragen. Da es hier um Landschaftsfotografie geht, eignen sich Weitwinkelobjektive mit Brennweiten bis 28mm am besten.

Beliebt bei vielen Astrofotografen sind preiswerte Samyang-Objektive. Sie überzeugen durch kurze Brennweiten und grossen Blenden zu bezahlbaren Preisen.


Gewusst? Neben den manuellen Samyang Objektiven zB 2.8/12mm, 2.8/14mm, CSC 2.0/12mm hat auch Sigma ausserordentlich lichtstarke Weitwinkelobjektive, die sich für Astrofotografie eignen. Z.B. 1.8/14mm DG HSM | Art, DG 1.4/20mm, DG 1.4/24mm oder DN 1.4/16mm, die an Sony E-Mount Kameras genutzt oder adaptiert werden können.


Welche Objektive benutzen Sie?
Für meine Fotos habe ich einerseits ein Sony FE 28mm F2.0 und zusätzlich einen Fischaugen-Konverter 16mm f/3.5 benutzt, als Ergänzung ein Voigtländer Super Wide Heliar II 15mm f/4.5. Beide sind nicht extra lichtstark, jedoch sollte das in Kombination mit der a7s kein Problem sein.
Die fehlende Lichtstärke konnte ich mit der hohen Empfindlichkeit des Kamerasensors kompensieren.

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Leider ist mir erst beim Bearbeiten der Fotos aufgefallen, dass Bilder mit dem 28mm-Objektiv
besser aussehen als erwartet. Da der Bildausschnitt aufgrund der grösseren Brennweite enger ist, füllt die Milchstrasse einen grösseren Teil des Bildes aus, was mir persönlich sehr gefällt. Davon auszugehen, dass ein Bild umso interessanter wird, je mehr auf ein Bild passt, war eine falsche Annahme. Die Brennweite des verwendeten Objektives sollte so gewählt werden, dass das Darzustellende auch am besten zur Geltung kommt.
Grosses Blickfeld dank Fischaugen-Konverter, ISO 12800, 15mm, f/4.5, 13 Sek.
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Welche Ausrüstung ist sonst noch notwendig?

Ein Stativ ist ein Muss für jede Langzeitbelichtung. Im Grunde kommt es nicht sonderlich darauf an, was für ein Stativ verwendet wird, solange es stabil ist. Natürlich gibt es grössere und kleinere, leichtere und schwerere, günstigere und teurere Ausführungen.
Für meine Reisen und Aufnahmen benutzte ich einerseits ein GorillaPod Stativ, welches klein aber stabil ist, andererseits ein Manfrotto Compact Advanced Stativ, welches höher und mit 1.5 kg Gewicht noch sehr leicht ist.

Eine starke LED-Stirnlampe ist ebenfalls essentiell. Optimal ist, wenn sie nebst der normalen Leuchtfunktion mit einem Rotlicht ausgestattet ist. Wird letzteres verwendet, bleibt unser Auge an die Dunkelheit gewohnt und sieht trotzdem etwas, sei es zum Einstellen der Kamera (natürlich empfiehlt es sich, seine Kamera so gut zu kennen, dass sie auch ohne Licht bedient werden kann) oder die Lampe kann helfen, den gewünschten Bildausschnitt festzulegen. Wird der Vordergrund dabei mit der Stirnlampe angeleuchtet, kann trotz Dunkelheit gesehen werden, wie der Bildausschnitt gewählt ist.
Nicht zu vergessen ist, dass auch die Silhouette eines Menschen mit einer Lampe ein ziemlich cooles Fotosujet bietet.

Smartphone App

Auch das Smartphone kann ein nützlicher Helfer sein. Mittlerweile gibt es mehrere Apps, die einem live anzeigen, wo die Milchstrasse sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet. Das Handy kann dafür einfach hochgehalten und herumgeschwenkt werden. Die App richtet sich automatisch am Sternenhimmel aus.

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SKY GUIDE – STERNENKARTE VON FIFTH STAR LABS LLC

Diese App ist primär sehr schön anzusehen. Mit ihr lässt sich der Nachthimmel auf wunderbare Weise entdecken. Sie zeigt einem alle wichtigen Himmelskörper und Ereignisse, liefert direkt den Wikipedia-Eintrag dazu und lässt sich auch in der Zeit verstellen. Sie dient dem Erkunden und Überprüfen der Planung vor Ort.

PHOTOPILLS VON PHOTOPILLS S.L.

Mit dieser App fällt das genaue Planen von Fotos in Kombination mit Himmelsobjekten kinderleicht. Überall auf der Welt können Stecknadeln gesetzt werden, und die App zeigt einem je nach Einstellung die genaue Position der Milchstrasse, Sonne, des Mondes und vielem mehr an. Im Beispiel rechts ist die Nadel direkt auf dem Hörnli gleich unter dem Matterhorn gesetzt. Die hellgraue Linie zeigt dabei die Richtung und Position der Milchstrasse an, wo sie das erste mal sichtbar wird. Die dunkelgraue Linie zeigt die Position des letzten Zeitpunktes. In diesem Beispiel wird sie also vom Standpunkt aus Richtung Süden blickend links des Berges erscheinen und sich gegen den Morgen langsam hinter ihn schieben. Das ist optimal, da mit dem Weitwinkelobjektiv Milchstrasse und Matterhorn beide auf einem Bild eingefangen werden können.

Das Anzeigefeld unten im Screenshot mit den wellenförmigen Kurven zeigt Position von Mond und Sonne über und unter dem Horizont. Es ist zu erkennen, dass die Tage deutlich länger sind als die Nächte und dass Mond- und Sonnenaufgang im Moment fast zeitgleich sind. Dies ist für die Sichtbarkeit der Milchstrasse von Vorteil, da die Dunkelheit durch praktisch nichts aufgehellt wird. Da die Milchstrasse in dieser Nacht also sehr gut sichtbar ist, sind in der oberen linken Ecke zehn von zehn Balken blau eingefärbt. Durch Wischen in diesem Feld nach links oder rechts können Informationen zu anderen Himmelsobjekten abgerufen werden.

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Auch eine Live-View mit der Kamera ist möglich. So wusste ich, dass um vier Uhr morgens die Milchstrasse am nächsten zum Matterhorn steht, ehe die Dämmerung den Blick wieder trübt. Deshalb stand ich mit meiner Kamera genau zu diesem Zeitpunkt bereit.

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Wir haben nun also die Ausrüstung zusammen.
Wann und wo am Himmel befindet sich die Milchstrasse, um sie überhaupt fotografieren zu können?

Das Zentrum der Milchstrasse ist nicht das ganze Jahr über sichtbar. Auf der Nordhalbkugel ist das Zentrum immer in südlicher Richtung, während sie von uns aus gesehen aufgrund der Erddrehung von Osten nach Westen wandert.

In den Wintermonaten ist die Nordhalbkugel derart abgedreht, dass das galaktische Zentrum gar nicht sichtbar ist.


Gewusst? Fotografieren lässt sich die Milchstrasse zwischen März und Oktober. Da die Nächte im Sommer kürzer sind als im Winter ist es wichtig, sich vorab über den Standort zu informieren, um bei völliger Dunkelheit zu fotografieren. In der Dämmerung ist die Leuchtkraft der Sterne in der Regel zu gering.

Auf der exklusiven Fotoreise >>GRAND TOUR Switzerland der FotoPro Fotoschule ist Landschaftsfotografie grosses Thema und der Kursleiter Thomas Biasotto hat viel Erfahrung mit Nachtaufnahmen. Das Datum im Juni wurde so gewählt, dass auch die Milchstrasse Teil des Fotoworkshops sein wird.


Welche Kameraeinstellungen sind vorzunehmen?

Um beim Fotografieren alle Einstellungen manuell wählen zu können, muss auch im M-Modus fotografiert werden. Für ein optimales Foto sollte von folgenden Grundeinstellungen ausgegangen werden:

RAW
Als erstes muss deshalb unbedingt sichergestellt werden, dass im RAW-Format fotografiert wird. Speziell daran ist, dass alle vom Bildsensor erfassten Daten unverändert abgespeichert werden. Da in diesem Format bis 16.384 Helligkeitsabstufungen gespeichert werden können (im Gegensatz zu JPEG mit 256 Abstufungen pro Grundfarbe), ist das Bild viel detailgetreuer. Bei nachträglicher Bearbeitung von Weissabgleich oder Ähnlichem muss nicht mit Qualitätsverlusten gerechnet werden.
Ein zusätzlicher Vorteil für die Nachbearbeitung ist, dass das Raw-Modul Änderungen und Korrekturen auf eine neue Instanz oder Datei schreibt, das Original aber unverändert gespeichert bleibt. Somit können also aus einem Bild problemlos ganz verschiedene Versionen entstehen.

WEISSABGLEICH
Als Weissabgleich wird die Farbtemperatur beschrieben. Ein gelblicheres Bild ist warm, ein blaues kalt. Die Masseinheit dafür ist Kelvin.
Da wir in RAW fotografieren, spielt der voreingestellte Weissabgleich eigentlich keine Rolle. Ich würde aber eine manuelle Einstellung für alle Bilder verwenden. Dies kann entweder auf eine einfache Voreinstellung der Kamera wie „Tageslicht“ gemacht werden, oder dann auf eine manuell eingestellte Temperatur von rund 3700K. Der Wert kann später bei der RAW-Entwicklung noch verlustfrei korrigiert werden. Bei JPEG wäre dies nicht möglich.

RAUSCHUNTERDRÜCKUNG
Die Rauschunterdrückung ist bereits ein erster Verarbeitungsprozess der Kamera selbst. Nach jedem Bild wird eine zweites – sogenanntes Schwarzbild) mit der selben Belichtungszeit, aber geschlossenem Verschluss erstellt.
Für eine einzelne Astroaufnahme kann diese Funktion durchaus zu einem leicht besseren Resultat führen. Sie sollte also nur bei Zeitrafferaufnahmen deaktiviert werden. Ansonsten könnten die gewählten Intervalle zwischen den Bildern gestört und verändert werden, da sich die Kamera immer noch im Rechenprozess befindet.

SELBSTAUSLÖSER
Selbst die leichteste Berührung an der Kamera oder am Stativ kann zu Verwackelungen im Bild führen. Deshalb bietet eine herkömmliche Kamera die Möglichkeit, automatisch zwei Sekunden nach Betätigung des Auslösers auszulösen.
Zusätzlich besteht die Möglichkeit der Spiegel-Vorauslösung. Dabei wird der Spiegel einer Spiegelreflexkamera zeitlich deutlich vor der Aufnahme hochgeklappt, um Schwingungen in der Kamera und ein damit verbundenes verwackeltes Bild zu vermeiden.


Ein Fernauslöser per Kabel, Infrarot oder Funk funktioniert noch besser, da die Kamera überhaupt nicht berührt werden muss. Für Zeitraffer sind programmierbare Auslöser erhältlich.


BLENDE
Grundsätzlich sollte für Astro-Shots die kleinste mögliche Blendenzahl gewählt werden. Je kleiner die Zahl, desto grösser die Öffnung. Je grösser die Öffnung, desto mehr Licht gelangt durch das Objektiv auf den Sensor.

Die geöffnete Blende erlaubt zudem eine möglichst kurze Belichtungszeit und eine geringe ISO-Empfindlichkeit, um Bildrauschen zu minimieren.


Je lichtstärker ein Objektiv ist, desto weniger muss die Kamera mit Belichtungszeit und Empfindlichkeit aushelfen. Mit Blende f/1.4 oder f/2 lässt sich deutlich besser fotografieren als mit lichtschwachen Zooms mit maximaler Blende F/4 oder höher.


ISO-WERT

ISO (aus engl. Normungsinstitut International Organisation for Standardization) bezeichnet die Lichtempfindlichkeit eines Filmes oder digitalen Sensors. Je höher die Zahl, umso grösser ist die Empfindlichkeit auf einfallendes Licht. Allerdings nimmt mit den höheren ISO-Werten auch das Rauschen im Bild zu. Weil beim Fotografieren von Himmelsobjekten häufig mit wenig Licht ausgekommen werden muss, ist es wichtig, eine Kamera mit guter ISO-Performance bis mindestens 6400 zu benutzen.

Bei Objektiven mit Blende bis f/2.0 kann problemlos mit einem ISO von 3200 genug Detail hervorgehoben werden, bei einer kleineren Blendenöffnung empfiehlt sich ISO bis maximal 6400. Ich persönlich benutze meistens einen ISO von 4000 oder 5000.

BELICHTUNGSZEIT

Die Belichtungszeit beschreibt die Dauer, während der Licht auf den Sensor fällt. Je länger die Belichtung, desto heller das Bild. Da wieder möglichst viel Licht gesammelt werden möchte, soll die Verschlusszeit auch hoch gehalten werden. Ist sie jedoch zu lange, wird aufgrund der Erdrotation bereits die Bewegung der Sterne sichtbar. Häufig ist diese Bewegung bereits bei einer Belichtung von unter 30 Sekunden zu sehen, was von der Brennweite des Objektives abhängig ist.

Abbildung links: Verwischte Sterne durch zu lange Belichtungszeit.
Abbildung rechts: Punktförmige Sterne durch optimale Belichtungszeit nach der 500er Regel

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500er Regel

Für Fotos, die nur für kleinere Formate gebraucht werden, z.B. Instagram, fällt dies nicht weiter negativ auf. Für grösser betrachtete Aufnahmen empfiehlt sich jedoch, die Belichtungszeit nach der 500er-Regel zu berechnen. Diese berechnet sich folgendermassen:

500 / (Brennweite) = Belichtungszeit
Ein 24mm-Objektiv als Beispiel: 500 / 24mm = 20.8 ~ 20 Sekunden Verschlusszeit

Wird nicht mit einer Vollformatkamera fotografiert, sondern ist ein APS-C Sensor eingebaut, darf nicht vergessen werden, die Brennweite mal 1.5 oder 1.6 zu rechnen. 500 / (Brennweite × 1.5) = Belichtungszeit
Der Einfachheit halber wird beim APS-C Sensor der Cropfaktor mit einkalkuliert und so als 300er Regel bezeichnet.
Teilen Sie also als Alternative 300 / Brennweite = Belichtungszeit für APS-C.

Im Allgemeinen arbeitete ich mit 15 oder 20 Sekunden Belichtungszeit. Doch vor allem mit dem Fischaugen-Aufsatz hätte ich das volle Potential von 30 Sekunden besser nutzen sollen.

Anmerkung von FotoPro

Wenn Sie länger belichten möchten, als es die 500er Regel zulässt, gibt es mechanische Stabilisatoren, die die Erdbewegung auf dem Stativ korrigieren und zwischen Kamera und Stativ montiert werden.

Pentax hat das Problem noch besser gelöst. Die Modelle K-3, K-1 und die neu vorgestellte Pentax K-1 II bieten eine ASTROTRACER-Funktion. Dank integrierten GPS Empfänger, Kompass und Sensor mit 5-Achsenstabilisierung „folgt“ der Kamerasensor den Sternen und so sind mehr als doppelt so lange Belichtungszeiten möglich ohne verwischte Sterne.

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FOKUSSIEREN IM DUNKELN

Der Fokus muss bei Nachtaufnahmen immer manuell eingestellt werden.

Bei der Sony a7s geht dies ziemlich leicht. Durch ein- oder zweifaches Drücken der Taste «C1» gleich neben dem Auslöserknopf wird die Sucherlupe aktiviert und ins Bild des elektrischen Suchers hineingezoomt. Speigereflexfotografen verwenden hierzu den Live-Vie Modus.
Um die Sterne scharf zu stellen, muss der Fokusring bis unendlich und dann wieder ein bisschen zurück gestellt werden. Am besten wird dabei ein heller Stern anvisiert und dann so lange am Fokusring gedreht, bis er möglichst scharf ist.


Nachdem die ideale Einstellung gefunden ist, kann der Fokussierring mit einem Abdeckband (Malerzubehör) fixiert werden, um nicht unbeabsichtigt verstellt zu werden.


TESTAUFNAHME

Zuletzt gilt es, eine Testaufnahme zu machen. Um den Bildausschnitt einzustellen, benutze ich meistens noch etwas kürzere Belichtungszeiten, um den Zeitaufwand etwas kürzer zu halten.
Nicht selten nahmen Testaufnahmen, bis ich die richtige Perspektive für Fotos einer Zeitraffersequenz gefunden hatte, gut 30 Minuten in Anspruch, was nicht nur Zeit, sondern auch Batterie kostet.

Stimmt der Bildausschnitt, kann nach Anpassen der Belichtungszeit gestartet werden. Da ich Zeitrafferaufnahmen gemacht habe, war die perfekte Einstellung immens wichtig, da sonst eine ganze Nacht unbrauchbare Bilder entstehen hätten können.

Für Einzelbilder ist ein Überprüfen aller Einstellungen aber ebenso sinnvoll.

Was gibt es sonst noch bei der Aufnahme zu beachten?

Die Location. Genau so wichtig wie ein klarer Nachthimmel ist für ein gelungenes Milchstrassenfoto ein interessanter Vordergrund 12. Dies kann ein Baum sein, eine Kirche, ein Berg, markante Landschaften oder ein Zelt. Ganz gut machen sich auch Leuchttürme oder „Models“, also Silhouetten von Personen am Horizont. Natürlich kann der Vordergrund auch beleuchtet werden, um ihn etwas hervorzuheben.
Je einzigartiger die Location, desto spezieller wird auch das Foto. Kleine, unbekannte Bergseen können grosse Geheimtipps sein.
Nicht nur ist der Nachthimmel auf der Wasseroberfläche gespiegelt doppelt magisch, sondern es finden sich dort auch wunderschöne Plätze zum Wildcampen.

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Sonne, Mond & Dämmerung

Wann ist die Nacht wirklich Nacht? Erstaunlich lange nach Sonnenuntergang wird der abendliche Himmel noch vom Restlicht der Sonne erhellt.

Während meines Projektes begann der astronomische Sommer in Zürich am Sonntag, dem 21. Juni 2015 um 18.38 Uhr. Gleichzeitig erleben wir den längsten Tag und die kürzeste Nacht. Da die Nacht nicht bis zum Sonnenaufgang des nächsten Tages gemessen wird, ist es bei uns aufgrund der ewigen Dämmerungsphasen lediglich knapp zwei Stunden dunkel.
Der Dämmerungsverlauf wird in drei Phasen aufgeteilt. Sie lassen sich dadurch abgrenzen, wie tief die Sonne unter dem Horizont steht, was als Tiefenwinkel bezeichnet wird.
Nachdem die Sonne in Zürich um 21.36 Uhr untergeht, folgt die bürgerliche Dämmerung bis um 22.06 Uhr. Bis dahin befindet sich die Sonne im Tiefenwinkel bis 6 Grad. Im Freien ist jetzt noch problemlos eine Zeitung lesbar. Bis um 23.00 Uhr sinkt die Sonne weiter bis 12 Tiefenwinkel. Bereits sieht man die ersten Sterne am Himmel funkeln. Diese Phase wird nautische Dämmerung genannt. Einzelne Konturen an der Erdoberfläche sind noch zu erkennen. Bis das letzte Restlicht vom Himmel verschwindet, dauert es bis um 00.23 Uhr. Der Himmel über Zürich ist jetzt lediglich für 2 Stunden und 10 Minuten dunkel, ehe um 03.33 Uhr wieder erstes Sonnenlicht die Sicht auf den Nachthimmel stört.

Ab jetzt werden nicht nur wieder die Tage kürzer, sondern auch die Dämmerung, denn die Bahn der Sonne verläuft bis Herbstbeginn wieder steiler. Am Äquator, wo die Sonne zweimal jährlich im Zenit steht, dauert der Übergang von Tag- zu Nachtgleiche bloss noch 70 Minuten.

MONDPHASEN

Ein leuchtender, strahlender Vollmond erhellt die Nacht so fest, dass es selbst fernab von Städten und menschlichen Lichtquellen nicht möglich ist, die Milchstrasse zu erkennen. Bei der Planung muss deshalb die Mondphase unbedingt mit einberechnet werden. Am besten eignen sich die Tage zwischen ab- und zunehmendem Halbmond. Zu diesem Zeitpunkt ist der Mond, sofern er in der Nacht auch über dem Horizont steht, nicht so hell, dass er die Milchstrasse komplett verschwinden lassen würde.
Zusätzlich bringt ein wenig Mondlicht den netten Effekt mit sich, dass der Vordergrund des Bildes in ein angenehmes Licht getaucht und deshalb auf dem Foto auch wesentlich besser zu erkennen ist, was dem Bild einiges an Stimmung und Atmosphäre geben kann. Geht der Mond während der Zeitraffersequenz auf oder unter, bringt dies zusätzlich etwas Spannung ins Geschehen, da sich auch die Sichtbarkeit der Himmelsobjekte verändert.

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Vom Mond beleuchtete Landschaft mit Milchstrasse, ISO 4000, 28mm, f/2.0, 8 Sek.

Lichtverschmutzung

Auch in einer Grossstadt wie Zürich, wenn die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, muss es einmal dunkel werden. Doch was heisst dunkel? Haben denn die Menschen aus der Stadt überhaupt eine Ahnung, wie ein dunkler Nachthimmel aussieht? Denn mehr als ein paar Dutzend der hellsten Sterne sind nicht auszumachen. Die Milchstrasse wird man hier nie sehen können.
Unter Lichtverschmutzung versteht man die künstliche Aufhellung des Nachthimmels und deren Störwirkung auf Mensch und Tier. Um gegen die Lichtverschmutzung zu kämpfen, die übrigens genau so als Umweltverschmutzung wie die Luft- oder Bodenverschmutzung angesehen wird, gibt es spezielle Organisationen, wie zum Beispiel NGO Dark-Sky, die dagegen ankämpfen. Obwohl laut Urteil des Bundesgerichts alle nicht sicherheitsrelevanten Lichtquellen zwischen 22 Uhr und 6 Uhr ausgeschaltet werden müssen, schaut man bei elektronischen Werbeanzeigen, dauerbeleuchteten Bahnhöfen oder Strassen- und Fassadenbeleuchtung nicht sehr konsequent hin.
Einfacher, geeignete dunkle Stellen zur astronomischen Beobachtung zu finden, wird es deshalb
auch zukünftig nicht.
Mit der stetig wachsenden Verschmutzung ist dieser Punkt wohl einer der grössten Herausforderungen fürs perfekte Milchstrassenfoto.

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Ein Fünftel der Weltbevölkerung kann aufgrund der Lichtverschmutzung die Milchstrasse nicht sehen. Doch auch in der Schweiz18 gibt es keinen einzigen Ort mehr, wo die komplette natürliche Dunkelheit nachts erreicht wird.

Bei der Suche nach einer geeigneten Location können einige Webseiten von Nutzen sein:

Dark Sky Finder App (iOS): Die App hilft mit einer Lichtverschmutzungkarte der ganzen Welt und speziell geeigneten markierten Punkten, dunkle Orte zu finden.

NASA’s Blue Marble: Diese Seite nutzt Google Maps als Grundlage, ergänzt mit den nächtlichen Luftaufnahmen der NASA aus dem Jahr 2012.

lightpollutionmap.info: Sehr detaillierte Karte mit genauen Strahlenwerten

darksitefinder.com: Ungefähre Karte mit Lichtverschmutzungsanzeige und etwas grösserem Messradius als die Lightpollutionmap. Aufgrund des grösseren Radius sind die weltweiten Unterschiede besser zu erkennen.

So. Wir hoffen, dass wir Ihnen das Thema Milchstrassen-Fotografie jetzt etwas schmackhaft machen konnten.

Mit der Aufnahme ist schon ein grosser Teil auf dem Weg zum fertigen Bild gemacht. Da nicht jede Kamera gleich arbeitet, ist nach dem Fotografieren im Rohdatenformat RAW noch Arbeit am Computer notwendig. Wie es da weitergeht, erfahren Sie in einem separaten Fototipp: Milchstrasse bearbeiten mit Yuri Schmid

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